ENGAGEMENT: Der 12-fache Weltmeister im Ehrenamts-Interview zum Karriere-Ende

Thomas Lurz (MAINPOST/Thomas Obermeier)

Hermann Gabel: Thomas, Du bist am 01. Mai 2015 als Weltrekordschwimmer – für die Öffentlichkeit sehrüberraschend – zurückgetreten. Kein Olympia 2016 in Rio de Janeiro ? Was waren Deine sportlichen und persönlichen Gründe ?
Thomas Lurz: Ich habe mich jetzt für diesen Schritt entschieden, weil man immer dann besser aufhören sollte, wenn man am Gipfel angekommen ist. Drei Lebensbereiche habe ich mir genau angeschaut. 1. Den Sportlichen: Ich habe in meiner Laufbahn 33 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europa-meisterschaften gewonnen;  27-mal wurde ich Deutscher Meister. Ich bin mit mir sehr zufrieden. Ein Mehr wird mit 35 Lebensjahren sehr schwierig. Außerdem gibt es viele hoffnungsvolle Nachwuchstalente, denen ich gerne jetzt den Vortritt lassen möchte. Ich trete daher auch bei der Weltmeisterschaft in diesem Sommer in Kasan nicht mehr an.

Und was sind die Gründe in deinen anderen beiden Lebensbereiche, die für diese Entscheidung relevant waren?
Ja, da ist ganz klar mein persönlicher Bereich: Ich habe vor einem Jahr eine Familie gegründet und trage nun die Verantwortung für meinen Sohn Felix. Zeit für die Familie und Zeit für meinen Sohn war und wäre immer knapp bemessen zwischen den täglichen Trainingseinheiten, inter(nationalen) Wettkämpfen und sonstigen Terminen. Ich möchte hier ganz klar die Partner- und Vaterkarte vor der sportlichen ziehen. Familie ist für mich ein hohes Gut.

Thomas Lurz - Sportbotschafter bei s.Oliver
Thomas Lurz: Der Rekord-Weltmeister im Langstreckenschwimmen arbeitet als Sportbotschafter für das Rottendorfer Modeunternehmen. Foto: Norbert Schwarzott

Und was ist denn der dritte Bereich, der für Dich relevant war ?
Die berufliche Karriere, die bisher hinter der sportlichen zurückstehen musste. Als Spitzensportler beim Freiwasserschwimmen verdient man nicht so gut wie z.B. beim Fußball oder Basketball. Ich bin daher seit 2013 beim Modeunternehmen s.Oliver in Rottendorf als Sportbotschafter und möchte mich auch mit Vorträgen weiter engagieren. Die volle Konzentration gilt daher auch dem Ausbau meiner beruflichen Karriere.

Welchen Beruf hast Du eigentlich ursprünglich gelernt?
ch bin Diplom Sozialpädagoge, habe hier an der FH Würzburg studiert, aber in diesem Beruf bislang nicht gearbeitet. Ich möchte meine Erfahrungen aus dem Spitzensport gerne für meine künftige berufliche Tätigkeit nutzen.“

Wenn Du so zurück blickst: Was war für Deine Sportkarriere bestimmend, was trieb Dich an und wie lautet das Rezept für einen Weltrekordler ?


WM2013-Thomas-Lurz-by-Benjamin-Lau-2Mein Vater hat mich zum Schwimmsport gebracht, hat mich gefördert und gefordert. Er hat mir die sportliche Selbstdisziplin beigebracht, die man auf so einem harten und langen Weg braucht. Während die anderen in der Disco abfeierten oder chillten, zählte ich die Kacheln im Schwimmbad – und das mehrmals am Tag. Der Sieg und Erfolg war mein Motor und meine Motivation. Dabei haben mir meine Familie und mein Bruder, aktuell als Bundescoach, sehr viel geholfen.Du brauchst aber auch einen Schwimmverein mit seiner ehrenamtlichen Struktur, der dir hilft und dich unterstützt. Ich bin dem SV 05 Würzburg dafür sehr dankbar. Ein Rezept? Gibt es nicht per se: Du musst Dir Ziele setzten, diese konzentriert und motiviert verfolgen. Du darfst Dich nicht durch Niederlagen von diesem Ziel abbringen lassen. Siege tragen Dich weiter. Der langfristige Erfolg ist der Antrieb. Und: Du brauchst einen langen Atem – im wahrsten Sinne.

Gabel: Jetzt ist die anstrengende Tagesstruktur nach deinem Rücktritt dahin. Zählst Du jetzt statt Schwimmbadkacheln Terminlöcher ? Wie war die Woche 1 nach Deinem Ausstieg ?
Lurz: Du wirst lachen, das erste, das ich gemerkt habe, ist, dass ich meine Ernährung umstellen muss. Bisher habe ich 3.000-4.000 Kalorien am Tag gebraucht um meinen Energiehaushalt auszugleichen. Jetzt – quasi in einer Ruhephase – benötige ich viel weniger…

NoLimits mit Thomas Lurz

Gabel: …Also Du machst aber immer noch eine passable Figur. Wie gehst Du denn außerdem mit Deinem sportlichen „Vorruhestandes“ um ?
Lurz: Also, ich bin in die ehrenamtliche Vorstandsarbeit bei meinem Verein, dem SV 05 eingestiegen. Ich möchte so wieder ein Stück zurückgeben, von dem,  was mir der Verein ermöglicht hat. Dann bin ich weiterhin ehrenamtlicher Schwimmpate im interkommunalen Projekt ‚Tauch nicht ab – lern Schwimmen!‘. Schwimmen können ist wichtig für Kinder. Mit dem Würzburger Säbelfechter Dieter Schneider habe ich 2012 eine Sportstiftung zur Förderung des Inklusionssports gegründet und wir haben erst jetzt erfolgreich das 2.  – bayernweit einzige – Mitmachsportfest NO LIMITS! veranstaltet. Dann bin ich ja noch als Ehrenamtsbotschafter im Landkreis Würzburg unterwegs. Du siehst: Meine Woche fülle ich neben Beruf und Familie sehr gut aus.

Gabel: Dein Bruder Stefan hat über Deinen Rücktritt gesagt: ‚ Der deutsche Schwimmsport verliert einen Leitwolf und ein Vorbild‘ . Du machst so einen gechillten Eindruck Wie fühlst Du Dich heute ?
Lurz: Ich fühle mich sehr gut, ausgeglichen und geerdet, in der Gewissheit viel geleistet zu haben und auf eine sehr aufregende Zeit zurückzuschauen. Davon werde ich noch Jahrzehnte zehren können. Jetzt beginnt ein neuer Abschnitt, auf den ich sehr gespannt bin!

Gabel: Danke Thomas, für dieses sehr offene Gespräch.
Lurz: Danke auch Dir. Gern geschehen!

Das Interview führte Hermann Gabel, Leiter des Servicestellen Ehrenamt und  Sport im Landratsamt Würzburg mit dem zurückgetretenen Spitzenschwimmer Thomas Lurz am 11.05.2015.